OSTFRIESISCHE ABENTEUER-BUCH-REIHE
 
VOM ALT-FEHNTJER THOMAS BALZEN

ÜBER MICH SELBER...

Moin, ich bin der Lausebengel, der Euch all die Geschichten erzählt, die Ihr in den Büchern über mich  von meinem größeren Ich heute lesen könnt.
Ich mein, ich hätte das natürlich auch selber gut gekonnt, aber ich bin noch nicht ganz so schnell mit Schreiben, wie ich reden kann, weswegen das dann besser der große Thomas übernommen hat.

Aber ich hab ihm das auf alle Fälle alles ganz allein erzählt. Was gar nich si einfach is, weil ich mich da auch schon das ein oder andere mal verhaspelt hab, wenn ich von Hü zu Hott gewechselt bin, beim Erzählen. Wo der große Thomas dann gehörig zu tun hatte, mitzukommen, beim Schreiben.

Geboren bin ich am 14. September 1919 mitten in Ostfriesland bei uns Zuhause. Also mit uns mein ich Opa und Oma in Ostrhauderfehn. Das war 'n ganz schöner Akt, wie Opa mir später erzählt hat, weil ich wohl 'n ziemlicher Brocken gewesen bin, als Püppi. Und kurz drauf  musste ich dann doch noch ins Krankenhaus. Aber ganz nach Leer, weil 's hier auf 'm Land keins gibt.

Da war dann ganz schön Alarm, wie man mich da mit Mama hinkriegt.

Jedenfalls, mit 'm Rad und dann hinten drauf in 'er Decke eingewickelt, wäre wohl zu lange gewesen. Und mit 'm Pferdegespann hätte auch 'ne halbe Ewigkeit gebraucht, was der Gemeindeschwester aber so gar nich recht war. Blieb dann bloß beten oder einen finden, der 'n Auto hat und nich so weit weg wohnt, dass man dem nich mehr rechtzeitig Bescheid sagen kann.


Und dann fahren hier nich so viele Autos, weil die ganz schön was kosten und man dafür auch extra 'n Führerschein für braucht.

Zum Glück hatte Onkel Joke aus der Nachbarschaft aber eins. Laubfrosch nennt man den, obwohl Hanomag dran steht. Das Auto mein ich natürlich. 

Wohl, weil der so  klein is und aussieht, wie so 'n Laubfrosch, wenn der morgens im Gras sitz zu warten, dass ihn die Sonne langsam auftaut. Passt aber auch gut zu Onkel Joke, weil der auch nich grad 'n Riese is, weswegen der auch unterm alten Kaiser Wilhelm auf 'm Uboot gedient hat.

Na, jedenfalls hab ich dann doch eben noch rechtzeitig die Kurve gekriegt, sonst könnt ich ja nich von mir erzählen.

Tja, was müsste man noch so über mich wissen?

Kann man ja alles in den Büchern von mir und über mich lesen. Vielleicht, dass ich auf 'm Fehn Großeltern hab und in Loga und mit Papa und Mama aber mitten in der Stadt wohn, obwohl ich viel lieber bei Opa und Oma in Ostrhauderfehn bin, weil es da so schön und ruhig is.

Naja, auch nich immer.

Vor allem nich, wenn man gegen Abend grad hinten im Hinterhaus auf 'm Pott sitz und plötzlich von draußen so 'ne gruselige Fresse von so einem durchs Fenster glotzt, der von den Gendarmen gesucht wird. Kommt bei uns in der Stadt Leer aber viel öfter vor, dass da einer 'n Hasen macht vor der Polizei.

Oder der olle Kinderfresser aus 'm Dr.-Reilweg in Leer, der mit seinem Handkarren immer beim hinten beim Bahnhof und am Hafen zu gucken is, wo auch alle die ganzen Kriegskrüppel, Gauner, Ganoven und Kinder rumschlawinern, die keiner haben will.

Oder der "Stramme Max" mit seinem "Nagelstudio", wie seinen Laden mit all den Frauen nennt. Und dann sind da auch noch unsere Bande und mein bester Freund Immo.

So, aber nu is erst einmal Feierabend, sonst hör ich nämlich nich so schnell wieder auf, in einer Tour weiterzuerzählen. Bloß sollt Ihr ja die Bücher über mich und meine Geschichten kaufen, weil ich das für mein Taschengeld gut brauchen kann.

Muss ja auch von irgendwas leben, wenn ich zum Beispiel doch mal von Zuhause stiften geh, wegen dem ganzen Hausarrest und so. Oder sich einfach mal was gönnen, wo ich mich schon die ganze Zeit drauf freu. Oder meiner Freundin mal 'n ordentlichen Becher Eis spendieren.

Also, Ihr wisst, was zu tun is. Bis dann.

Ich guck mal, was ich noch so finde, was Euch interessieren könnte...


Tja...und ich?

...muss sehen, dass ich mit dem Schreiben und Zeichnen hinterherkomm, während mir mein kleiner Freund, ohne Pause seine Geschichten diktiert. Oder besser gesagt, ich sie mit ihm zusammen erlebe, während er mich an die Hand nimmt und von einem Abenteuer ins nächste hineinzieht.




Was könnte man noch über den Lausebengel wissen müssen?


DER  LAUSEBENGEL

Der kleine Thomas wurde also am 14. September 1919 geboren. 

Wie sich schnell herausstellen soll, wird aus ihm ein Klugscheißer, der schon mit zweieinhalb Jahren beginnt, seine Welt durch die Augen eines Zeichners zu sehen. 

Ist er doch im Zeichen der Jungfrau zur Welt gekommen, die eh schon alles weiß, bevor andere davon erst eine Ahnung bekommen. 

Das sich dabei auch Abenteuer in sein Blickfeld schieben, um von ihm entdeckt zu werden, ist ein Umstand, den er allerdings selber nicht beeinflussen kann. Eigentlich.

MUT

Über ein Abenteuer im Nachhinein zu sprechen oder zu schreiben, ist das eine. Bis zum Hals aber in einem Abenteuer zu stecken und nach einem Ausweg suchen zu müssen, ist da schon eine ganz andere Nummer.

"Oberkante Unterlippe!" würde sein Geschichtslehrer Herr Niedermeyer eine solche Situation beschreiben und dabei ein Gesicht machen, dass man die Angst förmlich spüren kann, die einem in solchen Momenten unnötig ihre Hände an den Hals legt und einem die Luft nimmt.

NEUGIER

Auch, wenn man als geborener Klugscheißer schon fast alles weiß, gibt es trotzdem immer etwas Neues zu entdecken. 

Und wenn nicht, stellt man eben das, was man schon kennt einfach in Frage und guckt, wohin einen das führt. "Wer nicht fragt, der nicht gewinnt", heißt es doch so schön. 

Und gewinnen kann man in jedem Fall und wenn es am Ende auch nur die Erkenntnis ist: 

"Junge, da bin ich aber  grad noch mal dem Sensenmann von der Forke gerutscht.  So 'n Scheiß mach ich nich wieder ! . . . Jedenfalls nich so . . . ".

CHARAKTER

"Was ich so gar nich haben kann, is, wenn einer wie 'n Hirni in einer Tour mit 'm Stock hinten an 'ner Kuh

herumkloppt, bloß, dass die dahin läuft, wo der olle Kerl das will. Oder wenn man 'n Hund extra anbindet, dass er nich wegläuft, damit er hübsch fein den Hof bewacht, aber dann all mit Steinchen oder kleinen Stöckern nach ihm wirft, um ihn zu ärgern.

Wenn man sich die Zeit genommen hat, den kleinen Thomas etwas besser kennen zu lernen, wandelt sich seine schnoddrige und nicht selten recht direkte, unbürokratische Art, die Dinge beim Namen zu nennen, schnell in einen wahren Quell an erfrischender Erkenntnis und Weisheit. Zumindest, wenn man sich eingesteht, dass Weisheit nichts mit dem Alter zu tun hat und Älterwerden keine Auszeichnung verdient, wenn man nichts kann oder dazulernt.

"Hä...?"

Auf dem Land liebt er es, dem Gras beim Wachsen zuzusehen, ohne dabei die Geduld zu verlieren. Oder einfach hinten auf dem weiten Feld in Ostrhauderfehn zu liegen, das seinen Großeltern gehört, mit dem kleinen Hügel, um am Himmel in den Wolkenbildern herumzublättern und zu gucken, was es wohl auf der Rückseite für eine Geschichte dazu zu lesen gibt.

So, wie die beiden dummen Gören in Loga, die danach selber mal sehen konnten, wie scheiße das is."
Tja. Also das Herz am rechten Fleck scheint er schon mal zu haben.

"Achja. Und wenn die Großen sich 'n Spaß mit 'm kleineren machen und der sich nich richtig wehren kann. Ja...und Ungerechtigkeit...die kann ich auch nich leiden. Also, wenn man zum Beispiel für was den ganzen Ärger kriegt, ohne dass man da selber was für kann...oder wenigstens nich mit Absicht."

Is ja auch gemein. Vor allem, wenn die andere Seite nicht alle Fakten kennt und vorschnell urteilt oder aus Gewohnheit erst einmal den kleinen Kerl unter Generalverdacht stellt.

"Genau. So, wie die olle Dicke mit dem toten Tier um den Hals, die in einer Tour am Rumkläffen war, dass man mich ins Heim oder doch besser gleich ins Kittchen stecken soll. Und ihr blödes Söhnchen. Der doofe Stutzer mit seinem Vanilleduft..."

KAMERADSCHAFT

"Was bedeutet für Dich Kameradschaft?"

"Wenn man für einander einsteht. Egal, was is oder kommt. Da gibt 's kein Hü oder Hott. Augen zu und durch. Deswegen haben mein bester Freund Immo und ich auch Blutsbruderschaft geschlossen. Und mit meinem Vetter aus der Schweiz is das auch so... obwohl wir ja eh schon verwandt sind... aber so sind wir halt noch dicker miteinander. 

Hat aber auch gehörig weh getan. Denn erst wollte das Kartoffelmesser nich in die Haut vom Daumen. Ja...und dann wohl... Aber bloß, weil mein Vetter Hans-Jörg Schiss vor meinem großen Fahrtenmesser hatte...als ob ich uns damit gleich 'n ganzen Finger abschneiden wollte..."

LEIDENSCHAFT

Was er tut, macht er aus vollem Herzen und mit ganzem Einsatz. Halbe Sachen sind ihm ein Graus. Wobei es dann nicht selten vorkommt, dass sich aus einer Mücke ruck zuck ein ausgewachsener Elefant entwickelt, den man natürlich nicht so schnell wieder eingefangen kriegt... im übertragenen Sinne natürlich... obwohl...

"Kann ich jetzt auch mal was sagen?"

"Was denn?"

"Kauft doch einfach das Buch. Da steht alles haarklein drin. Und Ihr tut auch noch was Gutes. Schließlich muss ich ja auch von irgendwas leben, wenn ich schon die ganze Zeit über von mir erzähl."